Die in den Gräbern ruhen warten auf uns, auf uns alle. Sie wollen gar nicht, dass wir mit lauten Worten sie Helden nennen. Sie waren Menschen wie wir. Sorgt Ihr, die ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibe zwischen den Menschen und Völkern. (Theodor Heuss)
Der Nicolai-Platz mit seinen Denkmalen ist für unsere auf See gebliebenen Seeleute gestern, heute und morgen gestaltet worden. Wo immer eine Welle an einen Strand schlägt, denken wir Elsflether an unsere Seeleute. Zu jeder vollen Stunde erklingt eine Wasserwelle mit Musik.
Neun Jahre sind nun vergangen, seit der GKR unserer Kirchengemeinde der Stadt Elsfleth seine Hilfe angeboten hat, einen Denkmalplatz neu zu gestalten. Dazu hatten wir damals auch dieses Stück Land in Aussicht gestellt, auf dem der Obelisk schon früher gestanden hatte.
Es war ein langer Weg bis heute.
Das forderte wohl Geduld und Ausdauer, wie unser Bürgermeister schon andeutete.
Gut ist es da gewesen, dass wir auf diesem Weg miteinander immer wieder Weggefährten gefunden haben, die das gemeinsame Projekt der Gestaltung des Platzes mit voran gebracht haben.
Nicht zuletzt waren das die Sponsoren (Kapitän H.W. Janssen und Hellmut Wempe), die mit ihren finanziellen Mitteln und mit ihrer Tatkraft dazu beigetragen haben, dass wir jetzt hier stehen können an einem Ort, der unsere Stadt verschönert, der Menschen zusammenführt im Gedenken, im Erinnern und im Gespräch, ein Ort, der auch so etwas ist wie das eine Ende einer Achse in Elsfleth, die, so hoffen wir, in Zukunft noch runder laufen wird durch die Neugestaltung.
Ein Platz für die Menschen.
Was lange währt, wird endlich gut, hat Pastorin Cuno im Gemeindebrief geschrieben. Das können wir jetzt sehen.
Es gibt nun etwas ganz Neues in Elsfleth. Wenn sich früher zwei verliebte junge Menschen verabredeten, dann sagten sie vielleicht: wir treffen uns an der Kaje – oder: wir treffen uns am Bahnhof – in letzter Zeit wohl auch: wir treffen uns an der Tankstelle – in Zukunft wird es auch heißen: wir treffen uns am Brunnen. Für Elsfleth ist das - so viel ich weiß - etwas ganz Neues – ein Brunnen.
Wir wissen alle, das sind besondere Plätze, Brunnenplätze. Das sind Plätze, die schon immer Menschen zusammengeführt haben: Trafalgarsquare in London, Piazza Navona oder Trevibrunnen in Rom – wer die Städte besucht, der besucht auch meistens diese Orte mit ihren großen Schaubrunnen.
In alter Zeit war es einfach das Wasser, das die Menschen am Brunnen zusammengeführt hat. Dieses Grundlebens-mittel war dabei an solchen Plätzen immer begleitet von dem anderen Grundlebensmittel, der Begegnung, der Gemeinschaft. Ohne Wasser verdursten wir – ohne Gemeinschaft können wir nicht leben.
Hier werden Menschen einander begegnen. Nicht weil sie Wasser holen wollen, sondern weil der Ort sie einlädt zur Begegnung und zur Gemeinschaft.
Freunde werden einander treffen und Menschen, die sich zufällig begegnen.
Und es werden Menschen zusammenkommen zu besonderen Anlässen.
Am Sonntag der Seefahrt und an anderen maritimen Tagen und Festen werden die an Land sich in Gedanken verbinden mit denen auf See und sie werden denken an die, die nicht mehr zurückgekommen sind.
Am Volkstrauertag werden wir derer gedenken, die Opfer sind von Gewalt und Krieg und wir werden uns mahnen lassen zum Frieden, erinnern die Vergangenheit um der Zukunft willen.
So manches Gebet mag an diesem Ort gesprochen werden, ganz persönlich oder als Gemeinschaft vor Gott gebracht.
So ist dies wohl auch sichtbar ein Platz geworden, an dem vielfältige Interessen zusammengekommen sind.
Ein Platz für die Menschen.
Doch gibt es daneben vielleicht auch noch ein übergeordnetes Interesse, das wir erkennen können?
Eine Geschichte erzählt aus der Zeit, als das Münster in Freiburg gebaut wurde. Da fragte man drei Steinmetzen nach ihrer Arbeit. Der eine saß und haute Quader zurecht für die Mauern der Wand. „Was machst du da?“ „Ich haue Steine.“, antwortete er.
Ein anderer mühte sich um das Rund einer kleinen Säule für das Blendwerk der Tür. „Was machst du da?“ „Ich verdiene Geld für meine Familie.“, sagte er.
Ein dritter bückte sich über das Ornament einer Kreuzblume für den Fensterbogen, mit dem Meißel vorsichtig tastend. „Was machst du da?“ „Ich baue einen Dom.“, gab er zur Antwort.
Woran bauen wir? Welche Ziele verfolgen wir?
Wir bauen alle an dem Leben, das wir miteinander leben wollen. Mögen da auch viele unterschiedliche Interessen sein, die ja für sich genommen viel Achtung verdienen da, wo sie nicht das Wohl des anderen aus dem Blick verlieren. In und hinter all den unterschiedlichen Interessen steckt wohl Größeres, die Sehnsucht nach Sinn und nach Erfüllung im Leben und auch die Sehnsucht nach Frieden und nach Gerechtigkeit.
Es wird Sie, liebe Gäste, nicht wundern, wenn ich als Pastor Ihnen sage, dass es gut ist, diesen Platz nun direkt vor der Nicolai-Kirche zu haben, sozusagen im Angesicht dessen, der uns zum Frieden und zur Gerechtigkeit ruft. Ich glaube halt, dass von hier aus, vom christlichen Glauben und der Kirche aus eine Kraft ausgeht zum Wohl unserer Gesellschaft und unserer Welt. Aber zu diesem Glauben gehört die Begegnung mit anderen Menschen, mit anderen Gedanken und Überzeugungen und die Achtung aller Kräfte, die sich zum Wohl der Menschen öfter und fester zusammenschließen sollten.
Möge dieser Platz mit dazu beitragen, dass Menschen einander freundlich begegnen, Freunde und Fremde, Liebende auch – und solche, die gemeinsam die Zukunft bauen.
Ich danke Ihnen.